Location Based Services sind seit Jahren ein Zukunftsszenario im Mobile Marketing. Bislang konnten sich nur wenige Anwendungen durchsetzen. Mit der neuen Apple-Technologie iBeacon könnte sich das nun ändern.
Die iBeacon-Technologie hat bei Brancheninsidern bereits zu Euphorie geführt, denn Apple hat die Spezifikation in seinem mobilen Betriebssystem iOS7 direkt eingebaut. Damit sind auf einen Schlag geschätzte 250 Millionen Endgeräte fähig, die neue Technologie auszuführen – ein riesiger Markt. Die Technologie läuft dabei im Hintergrund ab. Apps können so laufend nach Beacons – kleinen Sendern – Ausschau halten. Ist ein der App bekannter Beacon in der Nähe, wird die App aufgeweckt. Stellen Sie sich das in etwa so vor, dass die Ikea-App aufspringt, sobald Sie den Ikea betreten.
Bluetooth und iBeacon
Genau genommen handelt es sich bei iBeacon um eine Apple-Spezifikation zu dem bereits länger existierenden Standard namens Bluetooth Low Energy – kurz BLE. Schon heute ist BLE das Mittel der Wahl bei sogenannten Smart Objects wie etwa einem Fitness-Messband. Im Gegensatz zum klassischen Bluetooth erlaubt BLE eine Kommunikation ohne das lästige Pairing – die von vielen verhasste Freischaltorgie, die man zum Beispiel von Freisprechanlagen kennt. Bei BLE können Apps direkt miteinander kommunizieren und die Freigabe erfolgt bei der Installation der App.
Da keine permanente Verbindung benötigt wird, ist auch der Stromverbrauch reduziert. Dies erlaubt den Einsatz kostengünstiger Transmitter-Hardware, die mit Knopfzellen arbeiten. Alle intelligenten Operationen werden vom Smartphone und dem über das Internet verbundene Server.
Das klassische iBeacon-Szenario ist denkbar einfach – mit potenziell großer Wirkung: der BLE-Transmitter sendet einen Identifikationscode – die sogenannte UUID – während die App über die Verbindung zu einem Server den Kontext zuordnet. Damit werden Anwendungsszenarien wie Indoor-Navigation, kontaktloses Bezahlen oder Werbung direkt am Point of Sale möglich. Zudem rücken auch von der digitalen Revolution bisher völlig vernachlässigte Märkte und Segmente in den Fokus.
Trotz der hohen Wachstumsraten im E-Commerce entfallen immer noch fast 93 Prozent der Umsätze auf den stationären Einzelhandel. Diesen Bereich der hybriden Kauferlebnisse zwischen Smart Device und stationärem POS kann man als Mobile Retail bezeichnen. Mit iBeacon könnte dieser blinde Fleck des E-Commerce geschlossen werden.
Mobile Retail kann die gesamte Customer Journey im Einzelhandel unterstützen. Stellen wir uns ein Einzelhandelsgeschäft vor, in dem Beacons an verschiedenen Stellen angebracht worden sind. An der Tür wird der Kunde mit einem auf ihn zugeschnittenen Angebot persönlich begrüßt, es folgen weitere Promotion-Angebote. Hat der Kunde bereits seine Einkaufsplanung mit der App des Händlers erledigt und einen Einkaufszettel gespeichert, kann ihn das System durch den Laden führen. Auch der Bezahlvorgang ist technisch mit iBeacon auf kontaktlosem Wege möglich. Insgesamt entsteht so die vielbeschworene “Seamless Costumer Experience”. Für den stationären Handel wäre allein die damit einhergehende personalisierte Kundenansprache eine kleine Revolution. Denn es ist eine denkwürdige Wahrheit: viele Händler kennen ihre Kunden nicht.
Kontextbasierte Dienste
Die echte Veränderung liegt in der Möglichkeit, kontextbasierte Dienste anzubieten und damit die Customer Experience insgesamt zu verbessern oder gar neu zu formen. Ein Beispiel sind personalisierte Angebote, die auf Daten wie die persönliche Einkaufshistorie oder Informationen wie Verweildauer in bestimmten Handelssegmenten zurückgreifen. Im Idealfall werden die Informationen in einem zentralen POS-Analytics-System gesammelt und ausgewertet. Das, was mit Google Analytics für Websites möglich ist, wird in Zukunft auch in den stationären Lagen zum Standard gehören. Mittelfristig wird entscheidend sein, wie genau man den tatsächlichen Kontext vorhersehen kann, in dem sich der einzelne Käufer befindet.
CRM wird essenziell
Die Anwendungen sind also nicht nur auf den Handel beschränkt, sondern betreffen das gesamte Marketing sowie die Themen Business Intelligence und CRM, weil sie die Kunden-Interaktionen auf neue Art messbar machen und kontextbasierte Kundenkommunikation im realen Raum ermöglichen.
Aber Apples iBeacon-Spezifikation erlaubt es auch, dass das Handy selbst als Beacon fungiert und Signale versendet. Damit lassen sich neue soziale Anwendungen kreieren. So wäre es denkbar, dass eine mit dem CRM-System verbundene App meldet, sobald sich ein Kontakt in der Nähe befindet – auf dem iBeacon-Hackathon in Köln wurde dafür bereits ein Pilot entwickelt. Dieser Fall könnte in Zukunft auf Messen und Konferenzen zum Standard gehören.
iBeacon-Anwendungsfälle
Projekte finden sich bereits in fast allen Branchen. In der Außenwerbung könnten Beacon-Signale direkt von den Werbesäulen versendet werden und somit Kampagneninhalte und Promotions noch zielgenauer nur an diejenigen verteilen, die eine bestimmte Werbung mit hoher Wahrscheinlichkeit gesehen haben.
Aber auch für Verlagshäuer bieten sich neue Geschäftsmodelle. Der britische E-Magazin-Dienstleister Exact Editions bietet eine ortsbasierte Lizensierung von E-Magazinen an. Sind iBeacons in einem Café installiert, werden dem Gast bei Betreten des Cafés die entsprechenden Inhalte freigeschaltet und der Gast erhält eine Push-Benachrichtigung auf sein Handy. Beim Verlassen erlischt die Lizenz und die Zeitschriften stehen nicht mehr zur Verfügung. Derartige Anwendungen wären natürlich überall möglich, auch in Bahnhöfen, Zügen, Flughäfen oder Flugzeugen.
Virgin Atlantic setzt in einem Pilotversuch am Flughafen Heathrow iBeacons ein, damit die Passagiere am Security-Check nicht lange nach seinem Boardingpass suchen muss und sich dieser sofort auf dem Smartphone öffnet. Im Veranstaltungsbereich hat die amerikanische Baseball-Liga alle Stadien mit Beacons ausgestattet. Es können Getränke geordert werden und der Veranstalter kann die tatsächliche Auslastung der Stadien messen.
Erfolg nur mit Kontext-Strategie
Die Möglichkeiten mit iBeacons sind schier endlos – der Erfolg wird jedoch von der Akzeptanz der Nutzerabhängen. Unternehmen sollten die Technik sparsam und überlegt einsetzen. Jede Push-Benachrichtigung auf dem Handy muss dem Kunden einen klaren Mehrwert bedeuten. Aufgrund der technologischen Entwicklung sollten Unternehmen nicht nur über eine Mobile Strategy verfügen, sondern diese auch um den Bereich der Location Based Services erweitern.
Für jede Branche und für jedes Unternehmen lassen sich interessante Nutzerszenarien und Geschäftsmodelle entwickeln. Nur diejenigen Unternehmen, die systematisch kontextrelevante Szenarien entwickeln und intelligente Backendsystem aufbauen, werden erfolgreiche Dienste anbieten. Einfach nur Beacons anzubringen, wird nicht ausreichen.
Dieser Artikel erschien außerdem in der Zeitschrift acquisa.
Bild: Jonathan Nalder from Kilcoy, Australia (beacons by jnxyz.education) [CC BY 2.0 (http://creativecommons.org/licenses/by/2.0)], via Wikimedia Commons